Vor einer Reihe von Jahren
hatte ich im Rahmen der Entwicklungshilfe am Tanganyika-See zu tun und sah
dort einen schönen weißen Dampfer fahren, die „Liemba“, wie ich erfuhr.
Ich ahnte nicht, welche Bewandtnis es mit diesem Schiff hatte, bis ich vor
einiger Zeit dann die von K.F.Hetzer herausgegebene Broschüre „Abteilung
´Möwe´ auf dem Tanganyika-See“ in die Hand bekam, die mich faszinierte,
dass ich mich näher damit zu beschäftigen begann.
Auf meine Anfrage erhielt ich dann von der Meyer-Werft in Papenburg einige
Unterlagen, meine Anfragen bei dänischen Werften, die die „Liemba“
umgebaut haben, blieben leider unbeantwortet. Einige Unterlagen beschaffte
ich mir in der Bücherei des Verteidigungsministeriums.
Und das ist nun die seltsame Geschichte dieses Schiffes, der Leser wird
mir am Ende zustimmen, wenn ich es als das „unverwüstliche Schiff“
bezeichnet habe. Die Meyer-Werft in Papenburg erhielt mit der Baunummer
300 im Jahre 1913 den Auftrag des Auswärtigen Amtes, Kolonialabteilung,
ein Schiff für den Passagierverkehr auf dem Tanganyika-See in Ostafrika zu
bauen. Es war nicht zu klären, ob die Behauptung der dänischen Werft
DANIDA zutrifft: „..und das alles, damit Kaiser Wilhelm II. gelegentlich
seines Besuches in Deutsch-Ostafrika für die vorgesehene Kreuzfahrt auf
dem See ein repräsentatives Schiff zur Verfügung haben sollte.“ 1914
sollte ja das dreißigjährige Bestehen der Kolonie festlich begannen
werden, möglich ist ja, dass ein Vertreter des Kaiserhauses dabei sein
sollte. Jedenfalls wurde auf der Meyer-Werft, die sich einen guten Ruf
beim Bau von extrem flachgehenden Schiffen für die oft sehr seichten
afrikanischen Flüsse erworben hatte, unverzüglich mit dem Bau begonnen. Um
die „Graf Götzen“ – am Schiff selbst war nur der Name „Götzen“ angebracht-
nach Afrika zu transportieren, hatten sich die Papenburger etwas
besonderes ausgedacht. Das Schiff wurde zunächst in Papenburg zur Probe
zusammen gebaut, anschließend wieder in Hunderte von Einzelteilen zerlegt,
in wasserdichte Kisten verpackt und per Schiff nach Ostafrika geschickt.
Von der Hafenstadt Daressalam ging es dann auf dem Landweg quer durch
Ostafrika zum Tanganyika-See. Diese Weltreise stand auch einigen
Papenburgern bevor: Die Meyer-Werft sandte eine Gruppe von Arbeitern und
Meistern an den Tanganyika-See, die das Schiff an Ort und Stelle
zusammenbauen sollten. Den Papenburgern gelang das damals technisch und
logistisch fast Unmögliche. Trotz widriger Umstände – mal fehlten die
Deckschrauben, dann die Facharbeiter – schafften es die Männer um Meister
Rüter das Schiff zusammenzusetzen.
Die anfangs erwähnte Broschüre des Kameraden Hetzer basiert im
Wesentlichen auf dem Bericht des späteren Kapitän z.S. Zimmer, den dieser
im Jahre 1931 für das Marine-Archiv in Berlin verfasst hat. Er schreibt
darin: „Inzwischen hatte ich die Anlage einer Werft in Kigoma zur
Instandsetzung der Boote und Fahrzeuge in Angriff nehmen lassen, die
Werkzeugmaschinen lieferte die Firma Holzmann und die
Eisenbahngesellschaft. Letztere war dabei den 1200 t großen Dampfer
`Götzen` auf einer Helling zusammenzusetzen , dessen Teile vor Ausbruch
des Krieges, als die Bahn bis Kigoma fertig gestellt war, am See
eingetroffen waren.“
Dann heißt es in dem Bericht weiter unten: „ Anfang Juni 1915wurde die
`Götzen´ fertig, 8sm laufend. Bei seiner Größe, 1200 t, war es eine
wesentliche Unterstützung und bedeutete eine außerordentliche Verstärkung
der Streitkräfte auf dem See. Vor allem war durch eine Beschleunigung der
Truppentransporte möglich, da er 800 bis 900 Mann an Bord nehmen konnte
und die Fahrt (nach Bismarckburg, der Verf.) in 4 Tagen hin und zurück
machte, zu der ein Dhautransport etwa 16 Tage brauchte.“
Und später schreibt Kpt. Zimmer:“ Nachdem Mitte Juli 1915 die `Königsberg`
von den Engländern vernichtet worden war, verstärkten zwei ihrer 10,5 cm
Geschütze die Kampfmittel Kigomas. Hiervon wurde ein 10,5cm als
Buggeschütz des `Götzen` aufgestellt, das weit und breit am Tanganyika-See
das Abschreckmittel des Feines wurde. Bei Kampfhandlungen gingen bis Mitte
Februar 1916 die beiden Schiffe `Hedwig von Wissman` (ca. 60 t) und die ´Kingani´
(ca 20 t), ein Zollschutzdampfboot, verloren. Beide waren mit je zwei
3,7cm Revolverkanonen bestückt. Erst später wurde bekannt, dass letztere
von den Engländern geborgen und nach Instandsetzung gegen unsere Truppen
unter dem Namen `Fifi` eingesetzt wurde.“
Weiter heißt es: „Trotzdem der Gegner an Schiffsmaterial von Februar 1916
an weit überlegen war, wagte sich nicht an `Götzen` und `Wamir`, ein
Schwesterboot der `Kingani`, heran, zeigt sich auch nicht an der deutschen
Küste. Ungehindert, nur vorsichtiger, haben unsere Fahrzeuge bis zur
endgültigen Aufgabe Kigomas, Ende Juli 1916 den See befahren und wichtige
Truppen- und Verpflegungstransporte durchführen können. Während für die
Schlusskämpfe Kigoma in Verteidigungszustand gesetzt und ein nahe
gelegener Berg in ein Fort verwandelt wurde, bombardierten die belgischen
Seeflieger von Anfang Juni an die `Götzen`, ohne dass es ihnen gelang, sie
ernstlich zu beschädigen. Von Mitte Mai ab lag sie im Hafen fest, da das
10,5 und 8,8 cm Geschütz abgegeben werden mussten, um anderweitig in der
Kolonie dringender verwandt zu werden. Nur mit einem 3,7 cm zur
Fliegerabwehr versehen, konnte sie einem Kampf mit den schnellen
Motorbooten (die hatten die Engländer von Südafrika her auf den See
gebracht, der Verf.) nicht mehr ausgesetzt werden. Atrappen aus Holz
täuschten den Spionen die fehlenden Geschütze vor.“
Dann berichtet Kpt. Zimmer weiter: „Als am 26.Juli (1916, der Verf.)
Kigoma endgültig geräumt wurde, die Belgier die Bahn bei Kigoma in Besitz
hatten und auch schon Gottorp, 90 km entfernt, bedrohten, wurde `Götzen`
von uns versenkt, ohne dass ein feindliches Fahrzeug in der Nähe war.“
Die Meyer-Werft sagt dazu: „Damit die `Graf Götzen` ihnen (d.h. den
belgischen und englischen Truppen, der Verf.) nicht in die Hände fiel,
mussten die Papenburger das Schiff versenken – vorher fetteten sie die
Maschinenteile sorgfältig ein. Dank der Weitsicht der Papenburger nahm die
`Graf Götzen` kaum Schaden. Sie konnte nach dem Krieg gehoben und unter
dem Namen `Liemba` wieder dem Verkehr übergeben werden.“
Unter britischer Kolonialflagge dann im Fracht- und Passagierdienst auf
dem See fuhr die „Götzen“ weiter, bis die britische Herrschaft endete und
Tanzania 1964 ein selbständiger Staat wurde. Mangel an Geld und wohl auch
an Interesse ließen das Schiff verkommen und im Hafen von Kigoma vor sich
dahindämmern, bis es der Regisseur John Houston entdeckte und nach dem
Roman des britischen Autors Cecil Scott Forester „The African Queen“ mit
dem Schiff seinen gleichnamigen Film drehte. Die Hauptrollen spielten
Katherine Hepburn und Humphrey Bogart, der dafür seinen einzigen „Oscar“
erhielt. Die „Götzen“ spielt darin eine wichtige Rolle, der friedliche
Passagierdampfer ist dort die kanonenbewehrte „Luisa“, die - wie alle
Bösen – am Ende untergehen muß. Aber nur im Film.
Die dänische Werft DANIDA erhielt von der tanzanischen Regierung Anfang
der neunziger Jahre den Auftrag sich das Schiff einmal anzusehen, ob sich
eine Restaurierung noch lohne. Der dorthin entsandte Schiffsingenieur der
Werft meinte dazu „Ehrlich gesagt war ich seinerzeit drauf und dran den
Leuten zu raten, die `Liemba` einfach zu verschrotten und dafür in
Dänemark ein neues Schiff bauen zu lassen.“ Doch bei genauer Prüfung fing
er an, sich für die „Liemba“ zu erwärmen, nicht zuletzt interessierte ihn
auch die Vorgeschichte. Die DANIDA-Werft übernahm den Auftrag, der sich
auf über 26 Millionen Dänische Kronen belief. Das 71 Meter lange Schiff
wurde mit bester Technik und vornehmsten Design ausgestattet. Es gibt 12
Kabinen der ersten Klasse, zwei von ihnen mit eigenem Bad, dazu kommen 29
Kabinen der zweiten Klasse. Das Schiff erhielt zwei neue Dieselmotoren.
Auf dem Schiff finden 600 Passagiere Platz, dazu 200 t Fracht. Das Schiff
wurde vollständig weiß gestrichen, damit ist es wieder „The boss of the
lake“ - Herrin des Sees, wie Humphrey Bogart in seiner unnachahmlichen Art
das alte deutsche „Kanonenboot“ in „The African Queen“ charakterisiert
hat. |