Reichsadlerflagge oder Reichsdienstflagge -
frühe Form (1892)?
Bei Auktionen
tauchen immer wieder Fahnen mit der Bezeichnung „Reichsdienstflagge“ oder
„Reichskolonialflagge“ auf, die eine asymmetrische (unterschiedlich dicke)
Aufteilung der Querfarben mit Reichsadler haben.
Darin unterscheiden sie sich von der üblichen gleichbreiten Farbverteilung,
die einen vergrößerten weißen Kreis in der Mitte haben, worin der
Reichsadler platziert ist. Was hat es mit diesen Flaggen auf sich?
Sind es nur falsche Beschreibungen der Lose, was leider immer wieder
passiert oder waren derartige Flaggen tatsächlich auch einmal offiziell in
Verwendung?
Nach meinen Ermittlungen könnte es sich hierbei um eine frühe Form der
Reichsdienstflagge handeln, die gemäß „Verordnung über die Führung der
Reichsflagge“ vom 8.11.1892 §3 Abs.1 (Quelle 1) in den deutschen
Schutzgebieten eingeführt wurde, sofern nicht die deutsche Kriegsflagge
(heute übliche Bezeichnung: „Reichskriegsflagge“) geführt wurde.
In der „Bekanntmachung betreffend die Reichsdienstflagge“ vom 20.01.1893
(Quelle 2) wird die Form der Reichsdienstflagge dann genau beschrieben. Die
kreisförmige Verbreiterung des weißen Feldes wird erwähnt. und die
Farbenaufteilung klar gedrittelt. Als eine logische Erklärung für diese
`nachgeschobene` Beschreibung erscheint mir, daß eine andere Form Einzug
gehalten hat, die so von den Beamten nicht beabsichtigt oder erwünscht war. |
Die kurze Zeit zwischen
ursprünglicher Verordnung und ergänzender Bekanntmachung, von gerade mal
72 Tagen, lässt es allerdings zweifelhaft erscheinen, daß da viele Flaggen
produziert und eingeführt wurden.
Tatsache ist aber, daß es Fotodokumente von Bezirksämtern und öffentlichen
Gebäuden in Deutsch-Ostafrika gibt, die offensichtlich diese erste Form
der Reichsdienstflagge zeigen. Interessanterweise sind mir übrigens
ausschließlich Nachweise aus DOA bekannt.
Weiterhin war im Kolonialmuseum Gunzenhausen ein originales Stück
vorhanden, das zur Gebäudebeflaggung geeignet war. Im
Auktionskatalog zur Sammlung ist diese und eine weitere, ähnliche Flagge
aufgeführt,
die zusätzlich um Mauer- und Zimmermannswerkzeuge ergänzt
wurde. Vermutlich von einem Bauhof aus den Kolonien.
Herr Reinhold Siebentritt, der große Kenner der Kolonialgeschichte,
erklärte mir zu der ungleich geteilten Flagge, daß es sich um „eine
alte Form der Reichsdienstflagge“ handele.
Gegenstimmen:
Aus dem Kreise erfahrener Flaggenkundler wird diese Einschätzung
allerdings bezweifelt. Man hält die Flagge für eine sogenannte
„Reichsadlerflagge“ die bis zum Ende der Kaiserzeit vielerorts aus
patriotischen Gründen, ohne offiziellen Charakter, geführt wurde.
Das ist durchaus möglich. Dafür würde sprechen, daß es verhältnismäßig
viele Exemplare in dieser Art gibt. Erheblich mehr, als es bei einem
Behördenstück realistisch wäre. Besonders, wenn man die kurze
Einführungszeit berücksichtigt!
Es gibt Stimmen, die generell bezweifeln, daß es jemals eine „frühe Form
der Reichsdienstflagge“ gegeben hat und daß alle Fotos nur aufgrund eines
fotooptischen Effektes diesen breiteren weißen Streifen vortäuschen.
Das ist meines Erachtens aufgrund der Vielzahl von Bildern und der
dokumentierten Gesetzestexte nicht haltbar. Zum Beispiel auf den Fotos von
Bagamoyo und Dar-es-Salam kann man die Breitenverhältnisse der
Farbstreifen recht deutlich erkennen. |
Schlussfolgerung
Zusammenfassend möchte ich feststellen, daß einiges dafür spricht, daß in
der Frühzeit von Deutsch-Ostafrika eine Flagge amtlich verwendet wurde,
die der sogenannten Reichsadlerflagge entspricht. Ob es in Ermangelung
eines vorschriftsgemäßen Stückes geschah oder ob man einige Stücke
geliefert bekam, bzw. selbst hergestellt hat, die kurz darauf nicht mehr
der Vorschrift entsprachen, ist nicht abschließend zu klären.
Eines trifft aber mit Sicherheit zu: Diese Stücke, wenn sie denn amtlich
genutzt wurden dürften sehr alt und äußerst selten sein. Die Vielzahl von
Reichsadlerflaggen, die heute bei diversen Händlern auftauchen sind aller
Wahrscheinlichkeit nach nie von Behörden genutzt worden. Sicher flatterten
sie an Bürgerhäusern oder Betrieben, die dadurch ihre „gut kaiserliche
Gesinnung“ darstellen wollten – und das muß natürlich nicht in den
Kolonien gewesen sein, sondern irgendwo auch in Deutschland.
Wer also bei einer Auktion Preise um 500 Euro für so eine Flagge zahlt,
muß damit rechnen, vermutlich eine patriotische Hausfahne gekauft zu
haben, die in Massenproduktion fabriziert wurde. Dekorativ sind sie
allemal, aber sie müssen nichts mit den Kolonien zu tun haben.
Zur Unterscheidung
Nicht zu verwechseln ist die Reichsdienstflagge mit der Flagge der
Gouverneure von Deutsch-Ostafrika und Kiautschou. Dort ist der Reichsadler
sehr klein und ohne Krone im weißen Streifen, der weder ganz, noch
kreisförmig verbreitert ist. |